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Der 84 Millionen Dollar Fehler?

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Kritik ist für Quarterback Kirk Cousins nicht neu. Nach der vergangenen Niederlage der Vikings in Chicago geriet der Quarterback so stark wie bisher noch nie ins Kreuzfeuer von Medien und Fans. War die Verpflichtung von Cousins am Ende also doch ein sehr teurer Fehler?

Eine Offense, die kaum den Ball bewegte, eine Defense, die zumindest in der ersten Halbzeit ziemlich unvorbereitet auf Matt Nagy’s Offense wirkte und dazu viele unnötige Strafen – Nein, das Nachtspiel am vergangenen Sonntag war nicht das Spiel der Minnesota Vikings. Nach dem Spiel konzentrierte sich die Kritik aber besonders auf einen Mann: Quarterback Kirk Cousins. Der Spielmacher erwischte gegen die knallharte Verteidigung der Gastgeber einen eher bitteren Tag. Erstmals in dieser Saison warf er mehr als zwei Interceptions. Seine 5,7 Yards pro Passversuch waren ebenfalls sein schlechtester Wert in der laufenden Saison und dabei wurde dieser noch durch die späten Drives gegen eine weicher spielende Bears-Defense geschönt. Kein Zweifel – So schlecht hatte man Cousins im Vikings-Jersey noch nicht gesehen. Und schon kamen sie wieder; die alten Vorurteile, die man über Cousins schon so oft gehört hatte. „Primetime-Spiele kann er nicht“, „In wichtigen Spielen gegen gute Teams versagt er“- Das und viele andere negative Kommentare waren überall in den Fan-Foren zu finden. Für 84 Millionen Dollar müsse in solchen Spielen halt mehr drin sein.

Nun mal nüchtern betrachtet…

Es ist klar, dass ein großer Vertrag in der Free Agency Erwartungen weckt, manche davon sind berechtigt, viele davon aber auch völlig überzogen. Eines sollte mal gesagt werden: Einen Quarterback an seinem Karriere Win/Loss-Verhältnis zu messen, ist schlicht falsch. Ja, der Quarterback ist der wichtigste Mann auf dem Feld, dennoch sollte man ihn nicht für die Fehler seines Supporting Casts verantwortlich machen. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen Drew Brees, der aktuell wohl der beste Quarterback der NFL ist, für die drei aufeinanderfolgenden 7-9 Saisons zwischen 2014 und 2016 verantwortlich zu machen. Man sollte also andere Wege finden, um zu schauen, was man an Kirk Cousins hat.

Insgesamt kann man sagen, dass Cousins in seiner bisherigen Zeit viel von dem bestätigt hat, was man bereits in Washington gesehen hat. Sowohl seine überdurchschnittliche Yards- und Touchdown-Produktion aber auch seine Turnoveranfälligkeit kamen bei den Vikings wieder zum Vorschein. Immerhin konnte Cousins in der bisherigen Saison aber einige der vorher gegen ihn erhobenen Kritikpunkte ausmerzen. So gehört er beispielsweise in der laufenden Saison zu den effektivsten Quarterbacks unter Druck und gegen gegnerische Blitz-Packages. Die aber wohl größte Verbesserung konnte Cousins bei seiner Redzone-Performance verbuchen. Mit 13 Touchdowns und keiner Interception kann Cousins bisher beeindruckende Zahlen jenseits der gegnerischen 20-Yard-Line verbuchen. Zudem bringt es Cousins laut Pro Football Focus in der laufenden Saison bereit auf sechs „Big-Time-Throws“. Cousins‘ Big-Time-Throw-Percentage liegt mit 11,8% auf Platz zwei in der NFL hinter Russell Wilson. Fehler vermied Cousins in der Redzone anders als in seiner bisherigen Karriere zumeist. Nur einer von seinen 51 Redzone-Passversuchen der laufenden Saison wurde von PFF als turnoverwürdig  bewertet.

Wird das dem Vertrag gerecht?

Wirklich enttäuscht können die Vikings von den Leistungen des Quarterbacks nicht sein. Die Schwächen, die Cousins zeigt, waren bereits vor der Saison bekannt und einige davon wurden durchaus effektiv korrigiert. Dennoch bleibt die Frage, ob die bisher gezeigten Leistungen dem vor der Saison unterzeichneten vollständig garantierten 84 Millionen Dollar Vertrag gerecht werden. Immerhin ist Cousins mit seinem aktuellen Arbeitspapier der am drittbesten bezahlte Spielmacher der NFL. Jetzt aber von ihm zu erwarten, dass er wie ein Top-3 Quarterback spielt, wäre jedoch schlicht unfair, da es besonders bei Quarterback-Gehältern wesentlich entscheidender ist, wann der Vertrag abgeschlossen wurde. So ist beim aktuellen Trend des Marktes der zuletzt unterschriebene Vertrag meistens der am besten dotierte. Auch der Anteil, den Quarterback-Verträge am Salary Cap der Teams einnehmen steigt stetig, da die NFL zunehmend offense- und passlastiger wird. Desweiteren muss berücksichtigt werden, dass es bei Cousins nicht wie bei den meisten anderen Quarterbacks auf seinem Niveau um eine Vertragsverlängerung ging, bei welcher die Teams beispielsweise durch den Franchise Tag gewisse Sicherheiten in der Hand haben. 

Ein weiterer Kritikpunkt an dem Vertrag war, dass die Vikings Cousins sein komplettes Gehalt garantierten. Für Mehr-Jahres-Verträge war das in der NFL ein Novum. Allerdings ist das eigentlich ein eher unwichtiger Teil des Vertrages, da ein Franchise Quarterback seinen Vertrag für gewöhnlich erfüllt und somit abgesehen von den Incentives sowieso sein komplettes Gehalt ausgezahlt bekommt. Wenn man sich also rein an der Marktlage orientiert, war der Vertrag von Cousins also durchaus nachvollziehbar.

Was wäre, wenn…?

Es bleibt jedoch trotzdem die Frage, ob es überhaupt nötig war, dass ein Team, welches in der vergangenen Saison nur knapp vor einer Super Bowl-Teilnahme stand, es überhaupt nötig hatte mit so viel Geld diesen Move zu tätigen. Warum konnte man nicht einfach an dem festhalten, was im vorherigen Jahr doch durchaus erfolgreich gelaufen war? Wäre es nicht sogar vernünftiger gewesen auf das teure Upgrade auf der Quarterback-Position zu verzichten und stattdessen einige andere Positionen aufzubessern wie zum Beispiel die schwache Offensive Line?

Antworten auf diese Fragen zu finden ist immer schwierig, da diese immer nur hypothetisch ausfallen können. Allerdings bietet sich in dieser Saison der Blick auf ein Team an, welches nach der letzten Saison in einer ähnlichen Situation war, aber dann den gegenteiligen Weg beschritten haben: Die Jacksonville Jaguars. Das Team aus Florida scheiterte in der vergangenen Saison wie die Vikings erst im Conference Championship Spiel. Auch abseits des Saisonergebnisses waren die Parallelen verblüffend. Wie die Vikings wurden auch die Jaguars von einer extrem dominanten Defense und einem guten Running-Game durch die Saison getragen. Auch der Kader blieb nach der Saison recht stabil. Und wie bei den Vikings stand man auch in Jacksonville vor der Frage, ob man versucht sich um ein teures Upgrade für den Quarterback holt, der im vergangenen Jahr über seinem eigentlichen Level gespielt hat, oder ob man lieber den günstigeren Weg wählt, Bortles behält um mehr Geld für andere Positionen ausgeben zu können. Im Gegensatz zu den Vikings behielten die Jaguars ihren Quarterback in der Hoffnung, dass er erneut über seinem Level spielen kann. Mit dem gesparten Geld holten die Jags All-Pro Guard Andrew Norwell und weitere punktuelle Verstärkungen.

Kein Upgrade für Quarterback Blake Bortles zu suchen, erwies sich aber bereits früh als Fehler. Wie bei den Vikings konnte auch die Defense der Jaguars ihre Dominanz der vergangenen Saison nicht ganz halten, obwohl beide Units nach wie vor zu den besten der Liga zählen. Auch das Verletzungspech ist bei beiden Teams erwartungsgemäß größer als in der vergangenen Saison, in der beide Teams ungewöhnlich viel Glück mit wenigen Verletzungen hatten. Das sorgt bei beiden Teams für Schwierigkeiten. Diese sind in Jacksonville jedoch deutlich größer, da Blake Bortles als Quarterback zu schlecht ist, um viele Spiele zu gewinnen, wenn um ihn herum nicht alles klappt. So steuern die Jaguars auf einen Top-10 Draft Pick anstelle eines erneuten Play-Off-Runs zu. Es wäre unseriös zu behaupten, dass die Vikings ähnlich gravierende Probleme mit Keenum hätten wie die Jaguars mit Bortles, da dies, wie bereits erwähnt, reine Spekulation wäre. Die Probleme der Jaguars und auch die diesjährigen bisher schwachen Leistungen von Case Keenum in Denver lassen vermuten, dass die Vikings wohl zurecht befunden haben, dass die Vikings in ihrer Situation ein Upgrade auf Quarterback benötigten. Dieses war wegen der Marktlage nicht günstiger zu bekommen. Einen neuen Quarterback zu draften wäre ebenfalls keine Option gewesen, wegen des späten Picks der Vikings. Zuden hätte die Entwicklung eines Rookies wohl zu viel Zeit benötigt, falls sie überhaupt erfolgreich gewesen wäre.

Desweiteren sollte man berücksichtigen, dass die Vikings neben einem neuen Quarterback auch einen neuen Offensive Coordinator vor der Saison verpflichten musste. Dass da im ersten Jahr nicht alles funktioniert, musste angenommen werden. Das Projekt Kirk Cousins ist vorerst ein Drei-Jahres-Projekt. Dieses bereits nach weniger als einer Saison als gescheitert zu erklären, wäre unfair und schlicht falsch.

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